Ein Schlückchen wird schon nicht so schlimm sein – doch, das ist es! Jeder Drink schadet. Fachleute schätzen, dass pro Jahr etwa 10.000 Kinder mit sogenannten Fetalen Alkoholspektrum-Störungen (FASD) geboren werden. Das sind unheilbare Erkrankungen, die Betroffene lebenslang einschränken – und die zu 100 Prozent vermeidbar sind. Beim Thema Alkohol in der Schwangerschaft gibt es daher nur eine ganz einfache Ansage: Tu es nicht!
Die Plazenta schirmt das Baby vor schädlichen Stoffen, die im mütterlichen Blutkreislauf kursieren, normalerweise gut ab. Alkoholmoleküle können die Plazenta allerdings ungehindert passieren. Deshalb trinkt das Ungeborene jeden Drink mit. Innerhalb nur weniger Minuten hat das über die Nabelschnur mit der Mutter verbundene Kind daher die gleiche Alkoholkonzentration im Blut wie sie. Allerdings dauert es bei dem Ungeborenen um das Zehnfache länger, bis der Alkohol sich wieder abgebaut hat. Denn das Organ, das für die Entgiftung zuständig ist, die Leber, muss erst noch ausreifen. Also zirkuliert das Zellgift – nichts anderes ist Alkohol – wesentlich länger im Organismus des Kindes. Und hat dort jede Menge Zeit, Schaden anzurichten.
Alkohol ist ein sogenanntes Mitosegift, das heißt, der Stoff stört die Zellteilung – extrem ungünstig in einer Schwangerschaft. Zudem beeinträchtigt Alkohol die Organbildung und wirkt neurotoxisch (schädigt das Nervensystem). Unumkehrbare körperliche und geistige Entwicklungsstörungen sind daher die Folge.
Chronischer Alkoholkonsum verhindert zudem, dass Vitamine und Mineralstoffe aus der Nahrung ausreichend im Körper der Mutter aufgenommen werden. Über die Nabelschnur als Verbindung beeinflusst das auch die Gesundheit des Babys. So beeinträchtigt zum Beispiel ein Vitamin A-Mangel das Sehvermögen des Kindes, fehlt Vitamin B12, kann es zu Blutarmut kommen, bei zu wenig Vitamin C im Organismus droht später eine höhere Infektanfälligkeit und nimmt der Körper nicht ausreichend Folat auf, kann das zum offenen Rücken (Spina bifida) führen.
Das Risiko besteht in jeder Phase der Schwangerschaft. In allen Entwicklungsphasen kann die Gesundheit von Embryo und Fötus durch Alkoholeffekte beeinträchtigt werden. In der Frühphase bewirkt der Alkoholkonsum vornehmlich schwere körperliche Schäden, später verursacht er eher Wachstums- und geistige Entwicklungsstörungen, die es erschweren, die üblichen Alltagskompetenzen auszubilden. Ein Schicksal, das sich vermeiden lässt, indem Schwangere konsequent auf Alkohol in der Schwangerschaft und in der Stillzeit verzichten.
Die ersten 2 Wochen nach der Empfängnis
In der Zeit, in der die meisten Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind, gilt das "Alles-oder-Nichts"-Prinzip: Entweder entwickelt sich der Embryo weiter, oder aber die Schwangerschaft endet frühzeitig und die Regelblutung setzt ein.
Weil der Alkohol die Zellteilung negativ beeinflusst, und jetzt die meisten Organe angelegt werden, ist die Gefahr von körperlichen Missbildungen des Embryos besonders groß, vor allem im Bereich des Gehirns.
In dieser Phase kann es zu Wachstumsstörungen kommen, außerdem ist das Risiko einer Fehlgeburt erhöht.
Jetzt machen Gehirn und Körper einen besonders großen Wachstumsschub, doch der Alkoholkonsum funkt dazwischen. Es kann zu Entwicklungsstörungen kommen, die Nervenzellen im Gehirn vernetzen sich nicht richtig, sterben teilweise ab.
Es existieren keine gesicherten Daten darüber, welche Alkoholmenge in welchem Stadium der Schwangerschaft wie sehr schaden kann. Es steht jedoch fest, dass nicht nur regelmäßiges Trinken sondern auch schon ein einzelner Rausch die Gesundheit des ungeborenen Kindes gefährden kann. Nur null Promille bedeuten null Risiko!
Nicht alle Auswirkungen und Alkoholschäden sind auf den ersten Blick zu erkennen. Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten zeigen sich oft erst im Laufe der Zeit. Neugeborene mit alkoholbedingter Störung fallen rein optisch durch folgende Merkmale auf:
Die körperlichen und geistigen Schädigungen des Kindes, die Alkoholkonsum während der Schwangerschaft verursacht, sind laut zahlreichen Langzeitstudien erheblich und unumkehrbar. Sie bestehen zeitlebens. Der Oberbegriff lautet FASD (fetal alcohol spectrum disorders).
Alkoholbedingte Störungen sind die häufigste nichtgenetische Ursache für geistige Behinderungen. Meist sind Betroffene, die neben einer Intelligenzminderung auch Verhaltensauffälligkeiten zeigen, nicht in der Lage, ein selbstständiges Leben zu führen. Zudem entwickeln bis zu 40 Prozent später selbst eine Alkoholabhängigkeit.
Die Alkoholschäden treten in verschieden starken Ausprägungen auf:
Ein Baby mit FASD hat häufig Saug- und Schluckprobleme. Es nimmt daher nur schwer an Gewicht zu. Auch später bleibt das Essen ein Problem, so kann es bei Fünfjährigen zum Beispiel bis zu eine Stunde dauern, bis sie eine Banane gegessen haben.
Ein Kind mit FASD kann an manchen Tagen die Schuhe oder die Jacke selbst schließen, an anderen Tagen will es einfach nicht klappen, was zu Frustration und Wutanfällen führen kann. Auch einfache Aufträge, wie etwa das Licht vor der Haustür anzuschalten, stellt es vor Probleme, wie es in einer Broschüre der Drogenbeauftragen der Bundesregierung beschrieben wird: "Geht es zum Hauseingang, kann es sich jedoch nicht mehr an den Grund für sein Kommen erinnern, oder es geht in einen anderen Raum und macht dort das Licht an. Andererseits hätte das Kind den Auftrag aber wörtlich korrekt wiedergeben können."
Später stellen auch im Jugend- und Erwachsenenalter alltägliche Routinen, wie etwa der Weg nach Hause oder die Körperpflege ein Problem dar. Die Betroffenen vertauschen dann die Reihenfolge und ziehen sich noch nass und einshampooniert wieder an, was beim Umfeld zu Unverständnis und Ablehnung führt. Die meisten Betroffenen sind grundsätzlich nicht in der Lage, ein eigenverantwortliches Leben zu führen oder einen Beruf auszuüben und benötigen dauerhaft psychosoziale Betreuung.
Bleibt eine frühzeitige Diagnose der Alkoholschädigungen aus und wird das Umfeld dementsprechend nicht an die besonderen Bedürfnisse der FASD-Betroffenen angepasst, kommt es bei ihnen zu dauerhafter Anspannung und Überforderung. Das äußert sich darin, dass sie zusätzlich psychische Störungen wie Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen entwickeln. Auch eine Neigung zu straffälligem Verhalten lässt sich belegen.
In unserer Gesellschaft findet Vieles wie selbstverständlich mit alkoholischer Begleitung statt – ein festliches Essen, ein geselliger Abend unter Freunden, ein Umtrunk im Job. Wer Bescheid weiß, was Alkohol beim Ungeborenen anrichten kann, verzichtet sicher leichter für ein paar Monate auf diese Art von Genuss und Teilhabe. Frauen, denen es aber schwerfällt, auf den gewohnten Drink zu verzichten, können sich dabei helfen lassen.
Und auch das Umfeld kann helfen, wenn nämlich der Partner oder die Partnerin, vielleicht sogar alle Anwesenden, einfach solidarisch 0,0 Prozent trinken. Gemeinsam klappt es leichter und schaden kann es auf keinen Fall. Zum Wohl!